
Dahlenburg. „Komisch“ habe es sich angefühlt, erzählt Michael Pietsch. „Und ich dachte Samstagabend, dass ich morgen zur Arbeit müsste“, lacht Marco Julius. Die beiden sind Inhaber der Dahlenburger Straßen- und Tiefbaufirma Hanse Bau Service (HBS). Dort wird seit voriger Woche nur noch vier Tage in der Woche gearbeitet – freitags ist frei.
Die Idee wurde erst im März geboren: „Wir saßen, wie öfter freitags nach der Arbeit, bei uns auf dem Hof bei Grillwurst und Bier mit einigen Mitarbeitern zusammen und ließen die Woche ausklingen.“ Dabei sprachen Mitarbeiter das gerade viel diskutierte Modell der 4-Tage-Woche an. „Es ist jetzt nicht so, dass wir gleich ‚Hurra‘ geschrieen hätten“, erinnert sich Pietsch, „aber in der Folge begannen wir doch, tiefer in die Materie einzusteigen.“ Denn: „Wir sind Neuem gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen“, betont Julius.
Pioniere bei der 4-Tage-Woche
Die Idee nahm Gestalt an. „Wir wollten dann mit anderen Unternehmen unserer Branche sprechen, die das Modell schon haben.“ Doch das wurde nichts: „Weder wusste die Handwerkskammer von einen Betrieb in Niedersachsen, noch fanden wir im Internet eine Firma.“ Also wurden die beiden Unternehmer zu Pionieren. Dass eine 4-Tage-Woche durchaus positive Effekte haben kann, hatten sie durch intensives Studium schon herausgefunden.
Beim nächsten Grillabend – diesmal waren alle Mitarbeiter dabei – erzählten sie von ihren Plänen: „Wir hatten uns gut vorbereitet, denn wir gingen nicht davon aus, dass alle begeistert sind.“ Jedoch: „Kein einziger der 28 Mitarbeiter war dagegen!“ Die Umsetzung folgte, wie es nur in einem kleineren Betrieb möglich ist, innerhalb kürzester Zeit.
Freitags bleiben die Baufahrzeuge stehen
Natürlich versuchten die Inhaber vorher, alles betriebswirtschaftlich durchzurechnen. „Aber so richtig ist das nicht möglich“, mussten sie erkennen. Zu viele unbekannte Größen seien dabei. „Dass wir erst einmal draufzahlen, ist klar“, sagt Pietsch, „aber die Mitarbeiter werden am Ende eines Jahres genauso viel Geld in der Tasche haben wie vorher“. Was die Umstellung erleichterte: Freitags wurde ohnehin nur bis 14 Uhr gearbeitet, es waren also nicht die Stunden eines ganzen Tages neu zu verteilen. Aber sie mussten den Mitarbeitern schon einige Arbeitsstunden pro Woche schenken.
Doch: „Abgesehen davon, dass uns zufriedene Mitarbeiter sehr wichtig sind, kann man noch andere Posten dagegenrechnen“, sagt Pietsch. Und Julius erklärt: „Wir müssen am Freitag nicht zur Baustelle ausrücken. Das sind allein 16 Fahrzeuge, die nicht fahren.“ So werden Treibstoffkosten eingespart. „Und nebenbei verbessern wir die CO2-Bilanz, in heutigen Zeiten nicht ganz unwichtig“, findet Pietsch. Auch in den Büros werde Energie gespart.
Eine Art Experiment
Außerdem erhoffen sich die beiden eine noch bessere Produktivität ihrer Mitarbeiter: „Das sagen alle Studien zum Thema“, wissen die Ingenieure. Mehr Motivation und bessere Erholung seien die Gründe. Die Erfahrungen vom ersten langen Wochenende würden dafür sprechen: „Da wurde Donnerstagabend gesagt: ‚Ach, das machen wir heute noch fertig‘. Das waren Arbeiten, die sonst noch auf den kurzen Freitag geschoben wurden.“ Auch, dass die Krankheitstage zurückgehen, sagen Untersuchungen. „Ob diese Faktoren bei uns wirklich zum Tragen kommen, können wir heute natürlich noch nicht sagen“, betont Julius.
Ein weiterer Aspekt sei der Fachkräftemangel. „Wir haben das erste Mal seit Jahren keinen Azubi zum Tiefbaufacharbeiter einstellen können“, beklagt Pietsch. Obwohl sie sich immer gern um ihre Azubis bemühen würden: „Mit einem habe ich jeden Samstag Mathe geübt.“ Fertig ausgebildete Fachkräfte seien natürlich auch bei ihnen heiß begehrt: „Wenn hier drei geeignete Fachkräfte morgen vor der Tür stehen, stellen wir sie sofort ein“, versprechen beide. Arbeit sei genug da.
Lünepost fragt nächstes Jahr nach
Doch was sagen die Kunden dazu, dass HBS nur noch vier Tage in der Woche arbeitet? „Wir haben überwiegend öffentliche Auftraggeber. Und von denen haben wir bisher ausschließlich positive Rückmeldung bekommen“, berichtet Marco Julius. Er und Michael Pietsch gründeten ihr Unternehmen im Jahr 2009. Einige Mitarbeiter sind seit damals dabei: „Das ist für uns auf jeden Fall der wichtigste Aspekt: Dass unsere Mitarbeiter gern hier arbeiten und deshalb auch bei uns bleiben.“
Ob ihr Experiment auch betriebswirtschaftlich erfolgreich sei, werde die Zeit zeigen. Eine Verabredung mit der Lünepost in einem Jahr, um über erste Erfahrungen zu berichten, steht schon!