Lüneburg. Mitten in Lüneburg, direkt neben der Oberschule am Wasserturm, sind der Konsum von Drogen und das Elend der Szene längst ein alltägliches Bild. Seit 35 Jahren ist der Clamartpark Treffpunkt von Junkies, Dealern und Trinkern. Doch seit die Parkanlage und die benachbarte Haagestraße saniert werden, scheint die Szene aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Dabei ist sie eigentlich nur ein paar Meter weitergewandert: Im Wandrahmpark, zwischen dem Museum Lüneburg und der Ilmenau, haben Drogenabhängige den kleinen mobilen Spielplatz in Beschlag genommen. Unter dem schützenden Dach des Kletter-Containers treffen sie sich regelmäßig.

Viele der Menschen, die sich hier aufhalten, wirken nervös und beschäftigt. Auf einer kleinen Kinderbank kippelt ein Mann leicht nach vorne gebeugt, ihm gegenüber zündet sich ein anderer einen Joint an. Was um sie herum an diesem nasskalten Vormittag passiert, scheint die beiden wenig zu interessieren. Ihnen geht es um die Droge.

Anders ist es bei der Gruppe um Horst-Dieter, Charly, Marina, „Schmitti“, Rene, Flynn und Lombrando. Sie sind alle im Methadon-Programm, müssen bei jedem Wetter raus, um sich in einer Praxis in Bahnhofsnähe ihre Ersatzdosis zu holen. Nach der Methadon-Ausgabe treffen sie sich seit Anfang November meist hier auf dem Spielplatz. Sie trinken Dosenbier, ein paar leere Wodka­fläschchen liegen auch schon auf dem Boden. Den von vielen praktizierten „Beikonsum“ in Form von Joints kann man riechen.

Seit zehn Jahren ohne Heroin

Im Wandrahmpark haben sie sich vorübergehend eingerichtet: „Als wir hier ankamen, haben wir erstmal aufgeräumt“, erzählt Charly (67). Er ist seit den 1970ern süchtig, schon lange im Ersatzprogramm und hat einen festen Job. Kumpel Horst-Dieter gesellt sich dazu und erzählt: „Keiner von uns möchte nach seiner morgendlichen Substitution alleine sein. Wir treffen uns hier, damit wir überhaupt soziale Kontakte haben.“ Auch Marina (40) hockt mit ihrem Mann im Container. Sie gilt als die „gute Seele“ der Truppe. „Die Leute täglich zu treffen, ist mir wichtig“, sagt sie und erzählt: „Seit zehn Jahren bin ich weg vom Heroin und stolz, es dank einer Therapie geschafft zu haben.“

Das kann längst nicht jeder sagen, der sich früher im Clamart- und heute im Wandrahmpark herumtreibt. So sind mit den Junkies natürlich auch die Dealer umgezogen.
Erst 27 Jahre alt, hat Flynn schon viel erlebt, unter anderem sieben Jahre in Australien verbracht. Er ist „poly“, nimmt die verschiedensten Drogen, auch Heroin. Doch das sieht man dem bis zum Hals tätowierten jungen Mann auf den ersten Blick nicht an. Flynn erzählt, dass sein Entzug im Psychiatrischen Klinikum kurz bevorstehe. Er freut sich drauf. Es ist nicht der erste Entzug des jungen Mannes, immer wieder wurde er rückfällig.

„Die Leute hier geben mir Halt“

René (36) ist erst mit 23 Jahren den harten Drogen verfallen. „Vorher war ich Sportler, habe mich auch gut ernährt“, erzählt der Bleckeder. Auch er wird mittlerweile substituiert. „Ich versuche jeden Tag aufs Neue, gut klarzukommen. Die Leute hier geben mir dabei Halt.“ René achtet stets darauf, dass man ihm den Ex-Junkie nicht ansieht. So wie er hoffen auch die anderen irgendwann mal auf einen Job: „Leichte Sachen, Handwerkliches – das können wir. Wir sind ja nicht blöd!“, sagt Charly.

Auch „Schmitti“ hat erst spät mit den harten Drogen angefangen. Er ist der einzige aus der Gruppe ohne festen Wohnsitz. Den drahtigen Mittvierziger hat ein Krankenhausaufenthalt aus der Bahn geworfen: „Irgendwann kommst du halt nicht mehr klar, dann geht es nur noch bergab“, erzählt er. Kumpel Lombrando (49) hat spanische Wurzeln, „zweite Gastarbeiter-Generation“, lacht er. Er glaubt nicht, dass seine Clique lange im Wandrahmpark bleiben wird: „Überall will man uns weg haben“, sagt er.

Gruppen-Senior Charly beteuert: „Wir sind keine schlechten Menschen, nur weil wir uns hier aufhalten. Wir brauchen einen Platz, wo wir zusammen sein dürfen. Wir wollen auf keinen Fall hier bleiben, denn das hier ist doch ein Ort, wo im Frühjahr wieder Kinder spielen sollen.“ Seit Jahren wisse der städtische Streetworker von ihrem Wunsch. „Passiert ist nichts! Seit fünf Jahren wird immer nur gelabert“, ärgern sich alle.

Einladung an die Oberbürgermeisterin

Um das Ziel irgendwann vielleicht doch noch zu erreichen, wünschen sich Lombrando und die anderen ein Gespräch mit Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Spätestens mit diesem Artikel wisse die Rathauschefin ja, wo sie die Gruppe finde.

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