Lüneburg. Die Lüneburger Innenstadt verwaist – und auf der grünen Wiese expandiert der Handel. So lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen, was am Donnerstag bei der IHK Thema war.
Worum geht‘s? Das Lüneburger Modeunternehmen Roy Robson möchte seinen Fabrikverkauf in der Bleckeder Landstraße vergrößern. Die Verkaufsfläche soll von gut 2800 Quadratmetern auf rund 3500 Quadratmeter und später vielleicht auch noch auf 4150 Quadratmeter erweitert werden. Ein Gutachter hat nun untersucht, welche Auswirkungen dieses Vorhaben der Unternehmerfamilie Westermann auf die Läden in der Lüneburger Innenstadt hat.
Gutachten empfiehlt einen Mittelweg
Was sagt das Gutachten? Im Bereich Mode und Schuhe belegt Roy Robson aktuell zehn Prozent der Lüneburger Verkaufsflächen. Damit erwirtschaftet die Firma bereits 17 Prozent des Gesamtumsatzes von den 100 Mode- und 65 Schuh-Anbietern in der Stadt. 13,5 Millionen Euro beträgt der Umsatz von Roy Robson. Wenn die Fläche nun deutlich wächst, hat das natürlich Auswirkungen auf die Lage in der Innenstadt, Gutachter Dr. Fabian Schubert nennt es „zentrenrelevant”. Er empfiehlt daher, von der „großen Lösung” abzusehen und eine Erweiterung auf maximal 3500 Quadratmeter zu genehmigen. Zudem stehe das Vorhaben im Widerspruch zum Einzelhandelskonzept. Das erlaubt bestimmte Sortimente, darunter Mode und Schuhe, eigentlich nur im Zentrum.
Wo liegt das Problem? Mit Stand vom Donnerstag stehen in der Stadt 38 Ladenflächen leer. „Ich bin seit 40 Jahren in der Stadt. Nie habe ich so viele Leerstände gesehen, wie jetzt“, klagte Modehändler Ralf Elfers. Viele Kollegen befürchten ein weiteres Ladensterben, wenn Kunden dasselbe Angebot auch in der Peripherie vorfinden. Artikel u. a. der Marken Brax oder Fraas seien sowohl bei P&C und Galeria als auch im Fa-brikverkauf zu finden. „Ich habe mich heute bei Roy Robson umgeschaut. Mindestens 70 Prozent der Artikel sind von Fremdfirmen und nicht von Roy Robson“, berichtete Schuhhändler Cornelius Schnabel.
Im Handel geht nun die Angst um, dass weitere Filialisten ihre Geschäfte in der Stadt schließen und mit einem eigenen „Shop im Shop“ bei Roy Robson unterschlüpfen. Jüngstes Beispiel ist Schiesser. Das Unternehmen hatte seine Filiale in der Bäckerstraße zum Jahreswechsel dicht gemacht und in dieser Woche im Fabrikverkauf eine eigene Fläche eröffnet.
Kritik an De-facto-Outlet-Center
„Das ist längst kein Fabrikverkauf mehr, sondern ein Outlet-Center”, sagte Heiko Meyer, Vorsitzender des Lüneburger City-Managements. „Ich bin froh, dass das im Gutachten nun auch an mehreren Stellen schwarz auf weiß festgeschrieben ist.“ Während man jahrelang erfolgreich gegen eine Erweiterung des Soltauer Outlets protestiert habe, sei in Lüneburg ein eigenes Outlet entstanden. Gestatte man nun die Erweiterung, befürchtete nicht nur Ex-Karstadt-Chef Eberhard Wedler: „Wenn wir damit anfangen, zieht Soltau ganz schnell nach.“
Lüneburgs Ex-Oberbürgermeister Ulrich Mädge war als Privatmann vor Ort. Er erinnerte Unternehmer Heiko Westermann an eine Absprache: „Wir haben verabredet, bei 2800 Quadratmetern ist Schluss. Und in der schlimmsten Krise der Innenstadt will man nun erweitern. Das schädigt den Handel enorm und ist gegen die Verabredungen. Lassen Sie das!“ Bisher habe man die Nachbargemeinden immer mit der „Lüneburger Liste“ gequält, um keine Mode in der Fläche zugelassen. „Das werden wir künftig nicht mehr halten können“, war Mädge überzeugt. „Wenn wir psychologisch nachlassen, dann ist die Tür auf, dass die Innenstadt noch mehr geschwächt wird!“
Was sagt Roy Robson? Heiko und seine Tochter Leonie Westermann verfolgten die Diskussion interessiert aus der letzten Reihe des IHK-Sitzungssaales. Ein Statement gaben sie nicht ab.
OB Kalisch appelliert an Zusammenhalt
Was sagt die Stadt? Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch vermied ein klares Statement. Sie verwies stattdessen auf das weitere Verfahren und lud ein, das laufende Beteiligungsverfahren zu nutzen. Die Abgabefrist für Einlassungen hat die Stadt noch einmal bis zum 3. März verlängert. Kalisch warnte vor Panikmache und schlechten Schlagzeilen: „Wir brauchen den positiven Zusammenhalt”, appellierte sie in Richtung der gut 50 anwesenden Vertreter aus Handel, Stadtgesellschaft und Politik.
Einen deutlichen Appell gab es von Jens-Peter Schultz, dem Vorsitzenden des städtischen Bauausschusses. Er sagte: „Wir stehen vor der schweren Aufgabe, die Interessen abzuwägen. Ich schaue nun Herrn Westermann an und sage: Vielleicht gibt es ja einen Kompromiss.”
Der vom Gutachter vorgeschlagene Kompromiss sei kein echter Vorschlag zur Güte, ließen einige Beobachter nach der Veranstaltung durchklingen. Denn die Erweiterung auf 3500 Quadratmeter sei ja genau das, was Roy Robson ursprünglich auch wollte. „Wenn Herr Westermann mehr Platz für seinen Fabrikverkauf braucht, dann soll er doch die Fremdmarken herausnehmen”, sagte Schuhhändler Schnabel und erntete viel Zustimmung.
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