Lüneburg. „Bei einem Nachbarn in der Röntgenstraße ist die Wasserzuleitung verrostet“, erzählte ein Leser. „Und die Bauarbeiter sagten mir, dass uns das jetzt bald allen hier am Bockelsberg passieren wird!“ Der Mann ist besorgt. Wird er bald nur noch nassen Fußes seinen Hauseingang erreichen? Denn gerade erst war Ähnliches in Jüttkenmoor passiert – mit Folgen für Anwohner und Autofahrer. Diese Woche gab es dann auch noch ein Leck vorm Theater in der Lindenstraße. „Ist denn das ganze Leitungssystem in Lüneburg veraltet und marode?“, fragte der Leser.

Diese Frage gab die Lünepost an die Avacon Wasser GmbH weiter. „Nein, auf keinen Fall“, beruhigt Geschäftsführer Thomas Meyer. „Im Gegenteil: Wir liegen mit zwei bis vier Prozent Wasserverlust deutlich unter dem Bundesdurchschnitt!“ Der sei im zweistelligen Bereich angesiedelt.

Leitungen sind bis zu 70 Jahre alt

Wie das dichte Adernsystem einer gut durchbluteten Hand sieht der Plan der Wasserleitungen im Stadtgebiet aus. Abbilden dürfen wir ihn nicht: „Wir sind kritische Infrastruktur“, erklärt Meyer. Die genaue Lage einzelner Leitungen soll nicht erkennbar sein. Was deutlich wird: Es sind viele Rohre. „Insgesamt versorgen wir rund 400 Kilometer Hauptleitungen und 260 Kilometer Hausanschluss-Leitungen.“ Die Hauptleitungen führen vom Wasserwerk in der Roten Bleiche in die Stadtteile. „So wie die Stadt wuchs, wuchs auch das Leitungssystem“, verdeutlicht Meyer. Und so unterschiedlich seien auch die Leitungen. Die ältesten sind inzwischen 60 bis 70 Jahre alt. Normalerweise kein Problem: „Zwischen 80 und 100 Jahre hält eine Leitung.“

Wie der Zustand aber wirklich ist, kann keiner wissen: „Die Leitungen sind verbuddelt, und wir können nicht reingucken“, macht Meyer klar. Bereits im Jahr 2006 habe die Avacon daher als eine der ersten das digitale „OptNet“, eingeführt. „Hier ist jede einzelne Leitung gelistet – mit Alter, Material, Boden, Korrisionsschutz, usw.“ Sobald eine Leitung offengelegt wird, z. B. wegen eines Lecks oder Baggerarbeiten, wird ihr Schadensbild im System erfasst. Nicht nur Lüneburgs Leitungen, sondern mittlerweile auch ca. 120.000 Kilometer aus anderen Gebieten sind hier gelistet. „Aufgrund all dieser Daten kann uns ‚OptNet‘ mit immer besserer Genauigkeit – es lernt ja jeden Tag dazu – die Ausfallfahrscheinlichkeit einzelner Leitungen voraussagen.“

Wie zum Beispiel am Bockelsberg in der Röntgenstraße: „Unabhängig vom Rohrbruch, der aufgrund eines Korrosionsschadens an der Hauszuleitung entstand, hatten wir diesen Bereich schon auf unserer Liste“, sagt der Wasser-Chef. „Die Hauszuleitungen dort sind ebenso alt wie die Reihenhäuser, die Ende der 1950er, Anfang der 1960er gebaut wurden.“ In der nahen Zukunft werden weitere zehn Anschlüsse in der Nähe der Kirche erneuert. „Das erfolgt natürlich immer in Absprache mit den Hausbesitzern“, versichert Meyer. Während der Sanierungsarbeiten werden sie nur kurz ohne Wasser sein: „Wir legen erst eine Parallel-Leitung. Das Wasser wird nur kurz abgestellt, um auf die neue Leitung zu wechseln.“

Leitungen werden regelmäßig wieder erneuert

Am Ebensberg stehen ebenfalls Auswechslungen an. „Hier gehen wir teilweise sogar an die Hauptleitungen“, berichtet Meyer. Auch das sei kein Problem für die angeschlossenen Haushalte: Die meisten Hauptleitungen sind Ringleitungen, sodass die Häuser von der anderen Seite aus versorgt werden können.
Häufig würde zudem vorsorglich ausgewechselt. „Wenn beispielsweise in der Innenstadt etwas gebaut wird, tauschen wir auch mal Leitungen, die erst 30 Jahre alt sind“, erklärt Thomas Hämmerling-Gordes vom Betriebsmanagement. Denn ein Leitungsmeter unter Kopfsteinpflaster sei extrem teuer. „Und wenn irgendwo Gas- oder Stromleitungen – und damit auch Wasserrohre – freigelegt werden, tauschen wir uns mit den Kollegen über den Zustand aus und handeln gegebenenfalls.“

Die Brüche der 25-cm-Rohre in Jüttkenmoor (aus PVC) und in der Lindenstraße (10 cm, Guss) hatten übrigens andere Gründe: „Durch die gesteigerte Verkehrsbelastung kam es hier zu Setzungsschäden“, erklärt Thomas Meyer.